Sicherheit

Behörden nehmen Forderungen der Bürger auf

Die Menschen erwarten, dass der Staat das Recht durchsetzt, um Sicherheit im Alltag zu gewährleisten. Das zeigt die RP-Umfrage „Wie sicher ist Deutschland?“. Beim RP-Forum zum Thema setzten sich Sicherheitsexperten damit auseinander, unter ihnen NRW-Innenminister Herbert Reul.

 

Überfälle und Diebstähle in der Stadt, Bedrängen und Beleidigen von Ordnungskräften, Einbrüche, ja, und auch Angst vor Terroranschlägen: Wer im Bekanntenkreis das Thema Sicherheit anspricht, löst damit häufig emotional geführte Debatten aus.

Fragt man genauer nach, haben die Menschen durchaus ein differenzierteres Bild, wie die aktuelle Umfrage „Wie sicher ist Deutschland?“ des RP-Forums zeigt (siehe Artikel „RP-Leser wollen mehr Polizei und null Toleranz“). Vor allem haben sie an Politik und Sicherheitsexperten Wünsche und Forderungen geäußert, denen sich Spezialisten aus Sicherheitsunternehmen sowie Vertreter von Polizei und Kommunen beim 4. RP-Forum „Sicherheit in Deutschland“ stellten.

Ganz hoch auf seiner politischen Agenda hängt auch NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) das Thema, der ebenfalls am Forum teilnahm. Er wurde begrüßt von Johannes Werle, dem Vorsitzenden der Geschäftsführung der Rheinisch-Bergischen Verlagsgesellschaft, und von Matthias Körner, Geschäftsführer der Rheinische Post Verlagsgesellschaft. Körner zeigte sich vom Forum „beeindruckt, dass es gelungen ist, hier eine Plattform zu schaffen und einen Themenkreis zu diskutieren, der ein weites Spektrum umfasst“. Körner spannte den Bogen von Einbruchs- über Cyberkriminalität bis zu globalen Themen wie den Terrorismus.

Leser wünschen Video-Beobachtung

In der Diskussionsrunde greifen die Experten insbesondere das Votum der RP-Leser für die Videoüberwachung auf – oder besser „Video-Beobachtung“, wie Ulrich Weynell (ISN Technologies AG) betont. Die Menschen seien bereit, dies zu akzeptieren, stellt Weynell fest. Für Oliver P. Kuhrt (Messe Essen) ist es erfreulich, dass die Sorge, der Staat oder Dritte würden die Menschen zu stark überwachen, so von der Bevölkerung nicht geteilt werde. „Unsere Fragestellung hat sich unterschieden von anderen Umfragen. Deshalb haben wir ein ehrliches Meinungsbild bekommen“, sagt Jens Washausen (Geos Germany).

Doch verbessert die Video-Beobachtung die Sicherheit tatsächlich? Dies beurteilen die Diskussionsteilnehmer differenziert. Sie sei ein „Mosaikstein“ in der Sicherheitsarchitektur, sagt Minister Reul, und sie sei dann sinnvoll, wenn die Polizei direkt eingreifen könne.

Genau dies betont auch der Essener Polizeipräsident Frank Richter. Zwei Minuten – länger dürfe das nicht dauern. „Dafür müssen aber die Interventionskräfte da sein.“ Das sei personalintensiv. Video-Beobachtung sei zur Prävention sinnvoll, damit es erst gar nicht zu Straftaten komme. Aus mehrjähriger Erfahrung in Düsseldorf weiß auch der Polizeipräsident der Stadt, Norbert Wesseler, dass das Instrument sehr effektiv sei, was die Gefahrenabwehr betrifft.

In der Öffentlichkeit werde das Thema indes häufig nur unter dem Gesichtspunkt des Datenschutzes diskutiert, wendet Reul ein. Doch geht hier auch die Technik weiter. Mit Hilfe künstlicher Intelligenz könnten bereits Bewegungsabläufe auf eine Weise analysiert werden, also zum Beispiel Prügeleien, die von Datenschutzbeauftragten als rechtskonform bewertet würden, erklärt Christian Kromberg, Sicherheitsdezernent der Stadt Essen. Dr. Christian Endreß von der Allianz für Sicherheit in der Wirtschaft (ASW NRW) geht davon aus, dass es in wenigen Jahren vollautomatische Video-Beo­bachtungssysteme geben werde. „Die Preise gehen spürbar zurück“, fügt Weynell hinzu. Der Einsatz sei also weniger eine Frage des Geldes, sondern ein rechtliches Thema.

Schon heute sei die Video-Beobachtung wesentlich kostengünstiger als Personaleinsatz, um Sicherheit effizient zu gestalten, sagt Daniel Schleimer (Securitas). Sie erleichtere Sicherheitsexperten den Arbeitsalltag, merkt Uwe Gerstenberg (consulting plus Sicherheit) an. Menschen reagieren nach seiner Beobachtung zum Beispiel auf Bahnsteigen ungezwungener und freier, wenn sie sich in der Nähe von Kameras wissen.

So viel wird aber wohl gar nicht überwacht. In Köln seien es mit 48 Kameras gerade mal 0,02 Prozent des Stadtgebiets, sagt Polizeipräsident Uwe Jacob. „Wir wollen sehr zurückhaltend sein.“ Die Beobachtung helfe sehr, sei aber sehr aufwändig, betont Jacob wie auch sein Essener Kollege. Noch besser wäre es, wenn es gar nicht erst zu den Situationen komme, in denen eingegriffen werden muss, führt Stefan Bisanz (consulting plus Beratung) die Diskussion weiter – und schneidet damit ein Thema an, das auch den RP-Lesern wichtig ist.

Null-Toleranz-Strategie gefragt

Dass sie mit großer Mehrheit eine Null-Toleranz-Strategie fordern, wundert Innenminister Reul nicht: „Es ist doch eine Selbstverständlichkeit, dass die Polizei konsequent handeln muss.“ Das Leservotum spiegele den Nerv der Zeit, stellt Bisanz fest: „Menschen brauchen Klarheit, kein Wischi-Waschi.“ Deshalb müsse der Staat auch genau definieren, was er darunter verstehe, wendet Klaus M. Brisch (DWF Germany Rechtsanwaltsgesellschaft) ein. Das sei auch eine Frage des Rechts.

Die Lesermeinung stelle „eine massive Stärkung unserer Ordnungskräfte“ dar, sagt Weynell. Die Menschen müssten allerdings auch respektieren, dass die Gesetze gelten. Polizeipräsident Richter fordert schließlich: „Wir müssen uns hinter unsere Kollegen stellen.“

Von Jürgen Grosche

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