Sicherheit

Die Bürger sollten beteiligt werden

Die Sicherheitssysteme in Deutschland funktionieren nicht so, wie sie sollten. Davon sind die Sicherheitsexperten Jens Washausen und Ulrich Weynell überzeugt. Sie raten dazu, die Menschen beim Thema aktiv mitwirken zu lassen.

Wie kommt es, dass die polizeiliche Kriminalstatistik einen kontinuierlichen Rückgang der Straftaten ausweist, während viele Menschen die Zeiten eher als bedrohlich wahrnehmen? Eine Diskrepanz, wie man sie auch vom Wetterbericht kenne, vergleicht Jens Washausen, Geschäftsführer des Sicherheitsunternehmens Geos Germany: Die gefühlten Temperaturen unterscheiden sich von den gemessenen. „Das ist beim Thema Sicherheit ähnlich. Daher sind die Diskussionen um die gefühlte Sicherheit berechtigt.“

Washausen geht nicht davon aus, dass die Statistiken Tatsachen unterschlagen. Das Problem der Dunkelziffer werde von den Behörden sehr wohl angesprochen. Man gehe verantwortungsbewusst mit dem Datenmaterial um. Der Sicherheitsexperte kritisiert allerdings den Umgang mit der genannten Diskrepanz: „Wenn die Bevölkerung das Gefühl hat, dass es um die Sicherheit nicht so bestellt ist, wie es sein sollte, dann haben wir etwas nicht gut gemacht.“ Als Defizite in der Sicherheitsarchitektur erkennt Washausen zum Beispiel „starre, überkommene Strukturen“. Verschiedene Akteure wie Polizei, Ordnungsamt oder andere Behörden hätten umgrenzte Aufgaben und Zuständigkeiten. „Jeder kennt sich in seinem Bereich aus, hat eine Sensorik für Themen, kann Dinge einschätzen. Aber die Informationen werden nicht geteilt.“

Genau hier liegt für den Sicherheitsfachmann Washausen der Knackpunkt. Als Hindernisse sieht er neben datenschutzrechtlichen Einschränkungen und Gewohnheiten einen „Anspruch auf Herrschaftswissen“. Daran müsse man arbeiten, denn Sicherheit zu gewährleisten sei ein „legitimer Anspruch der Bürger“. Wenn die Akteure im Sicherheitssystem aussagefähige Informationen besser teilen würden, könnten alle Beteiligten zu realistischeren Einschätzungen kommen.

In einem weiteren Schritt müssten die Erkenntnisse aber auch mit den Bürgern geteilt werden, fordert Washausen. Neben die Information müsse die Partizipation treten. „Sicherheit darf nicht allein eine Angelegenheit der Polizei sein.“ Wenn die Menschen beim Thema Sicherheit mitwirken können, würde sich ihr Sicherheitsgefühl verbessern, sie würden Verantwortung für ihr Umfeld übernehmen. Die nachbarschaftliche Fürsorge nehme zu, präventive Maßnahmen könnten besser umgesetzt werden. Das sei auch notwendig, weil die knappen Ressourcen der Behörden richtig eingesetzt werden müssen.

Bürgerengagement wäre in vielen Bereichen denkbar: Das fängt an mit Meldemöglichkeiten zum Beispiel für überfüllte Papierkörbe oder Vandalismus. Die Menschen müssten aber auch eine Rückmeldung bekommen, fordert Washausen. Sie sollten erkennen, dass ihr Engagement sich auszahlt. Ganz neue Möglichkeiten ergeben sich durch die technologischen Entwicklungen. So könnte eine durch künstliche Intelligenz unterstützte Kommunikation über Social Media- Kanäle die Effizienz von Einsätzen der Sicherheitsdienste verbessern.

Als Beispiel nennt Washausen eine von Geos durchgeführte Analyse der Terroranschläge auf den Konzertclub „Bataclan“ in Paris. „Die Polizei hätte anders reagieren können, wenn sie gewusst hätte, was viele Menschen bereits in sozialen Medien geteilt hatten.“ In London setzen die Sicherheitsexperten seit zwei Jahren erfolgreich ein Tool für Social Media ein, das auf eine solche Kommunikation zwischen Behörden und Nutzern setzt.

Informationen mit Bevölkerung teilen

Genau hier sieht auch Ulrich Weynell, CEO der ISN Technologies AG, richtige Ansätze, um dem Sicherheitsbedürfnis der Menschen besser gerecht zu werden. Christian Lang, Geschäftsführer der ISN GmbH aus Rheinmünster, erprobt aktuell in Brasilien eine spezielle Software, gespeist aus Social Media-Kanälen, Behörden, Nachrichtenagenturen und weiteren Quellen. Die ersten Erfahrungen seien sehr positiv. Nahezu in Echtzeit würden Bedrohungen und Vorfälle mitgeteilt, die entsprechend den Anforderungen gefiltert werden können in die Rubriken Einbruch, Überfall, Terrorismus, Vandalismus, Unfälle, Naturkatastrophen, Schießereien und andere. „ISN wird zukünftig diesen Service in deren Portfolio übernehmen und anbieten“, sagt Weynell.

Allerdings müssten solche Tools professionell eingesetzt werden. Weynell verweist als Gegenbeispiel auf den Amoklauf in München vor drei Jahren. Social Media-Posts verwirrten die Menschen und lösten teilweise Panik aus. „Die Nutzung entsprechender Apps muss in den Händen seriöser Akteure liegen“, fordert Weynell. Dazu zählt er neben Polizei und zuverlässigen Sicherheitsdiensten auch seriöse Medien. Wie Washausen ist auch Weynell überzeugt: „Eine Beteiligung der Bevölkerung führt zu mehr Achtsamkeit, verbessert das Zusammenleben in der Nachbarschaft und erhöht das Sicherheitsgefühl.“ Ohne eine solche Beteiligung passiere das, was man zurzeit beobachte: Trotz der in der Statistik rückläufigen Zahlen der Straftaten gebe es eine „hohe subjektive Verunsicherung“. Die Kriminalstatistik spiegele allerdings auch nur vergangene Entwicklungen und verleite damit zu Fehleinschätzungen. „Wir wissen aus unserem Tagesgeschäft, dass die Kriminalität aktuell an manchen Orten wieder zunimmt“, stellt Weynell fest. So komme es immer wieder vor, dass verurteilte Mitglieder krimineller Banden nach Verbüßen ihrer Haftstrafen gleich wieder ihren alten Job aufnehmen. „Das führt zu einer signifikanten Zunahme von Straftaten in einigen Regionen.“

Würde man aus den aktuellen Entwicklungen Konsequenzen ziehen, könne man mit einem darauf angepassten Verhalten reagieren, ist Weynell überzeugt. Er beobachtet hingegen, dass die Bereitschaft zur Prävention mit Verweis auf die Kriminalstatistik abnehme. „Viele reagieren zurückhaltend und sagen, die Sicherheitslage habe sich doch verbessert.“ Dabei sei vorausschauendes Handeln jetzt wie ehedem notwendig; das würden auch die Präventionsberater der Polizei immer betonen, sagt Weynell. „Wenn dann doch etwas passiert, neigen Betroffene häufig zu Überreaktionen und übertriebenem Aktionismus.“ Präventive Maßnahmen beispielsweise als Schutz vor Einbruch und Überfall lassen sich in „ruhigen“ Zeiten deutlich besser planen und umsetzen so Weynell.

Neben mehr Achtsamkeit und Teilnahme fordert der Sicherheitsexperte aber auch mehr Zivilcourage. Straftaten oder Vandalismus sollten die Menschen melden. Es gehe darum, den Anfängen zu wehren. Voraussetzung dafür sei aber eine Akzeptanz und ein Vertrauen in die Sicherheitssysteme und die richtige Auswahl des Sicherheitsunternehmens – und hier schließt sich der Kreis. Damit diese Akzeptanz und das Vertrauen wachsen können, muss die Sicherheitsarchitektur verbessert werden. Darin sind sich die Experten einig.

 

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Kommentar

2 Kommentare

  • Wem nützt es, dass ich der Bürger mehr einbringt. Städte, Gemeinden, haben weder das Geld geschweige das Personal irgendwelchen Meldungen nachzukommen. Häufig hat man auch das Gefühl, dass die Mitarbeiter korrupt sind.

  • Ni hao,
    Es waere unbedingt mehr Praesenz der Polizei noetig. Wann sieht manmal einen Polizisten oder Streifenwagen ? Wennüuberhaupt dann auf Supermarkt-Parkplaetzen wenn sie waehrend der Dienstzeit einkaufen oder wenn sie sich an bestimmten Baeckereien kostenlos mit belegten Broetchen und Kaffee versorgen lassen und im Sommer an tuerkischen Obst- und Gemueselaeden grosse Tueten mit frischem Obst in ihren Streifenwagen packen lassen waehrend sie angestrengt die Strasse beobachten. Damit sind sie natuerlich auch voll ausgelastet, da bleibt keine Zeit mehr Hinweisen ueber Drogendealer und andere kriminelle Aktivitaeten nachzugehen oder mal einfach Streife zu fahren und verdaechtige Personen zu kontrollieren. Straftaeter haben es leicht in Deutschland, deshalb sind auch so viele hierher gekommen. Das muss viel deutlicher gesagt und geschrieben werden, um eine Grenze zwischen diesem Gesindel und normalen integrierten Auslaendern zu ziehen.