Sicherheit

„Sind unsere Städte ausreichend auf Bedrohungsszenarien vorbereitet?“

Dem Thema der „sicheren Stadt“ kommt eine wachsende Bedeutung zu. Sicherheitsexperten stellen daher die Frage, wie mit Bedrohungen in einer Stadt umgegangen werden soll, um Sicherheit für die Bevölkerung herzustellen und diese vor negativen Ereignissen zu schützen.

Das Kriminalistische Institut des Bundeskriminalamts führte zwischen Juli 2017 und Januar 2018 eine repräsentative Befragung zum Thema „Lebenssituation und Sicherheit in Deutschland“ durch. Dabei ging es um verschiedene Aspekte des Alltags wie Wohnen, Sicherheit und Zufriedenheit. Ziel der Erhebung war es, herauszufinden, wie häufig Bürger Opfer von Straftaten werden, wie sicher sie sich fühlen, wie sie die Arbeit von Polizei und Justiz bewerten und wie all dies mit ihrer Lebenssituation zusammenhängt. Ein wesentliches Ergebnis der Studie lautet: „Hinsichtlich der Furcht vor Kriminalität zeugen die empirischen Befunde von einer Zunahme von Unsicherheitsgefühlen in der Bevölkerung seit 2012. Der Anteil der Bevölkerung, der sich nachts in der Wohngegend unsicher fühlt, ist von 17,3 Prozent im Jahr 2012 um gut vier Prozentpunkte auf 21,5 Prozent angestiegen. Hinsichtlich konkreter Delikte hat insbesondere die Furcht vor einem Wohnungseinbruch zugenommen. Auch die Furcht, überfallen und beraubt zu werden, hat leicht, aber statistisch bedeutsam zugenommen.“ Diese korrespondiere mit einer tatsächlichen Zunahme des Einbruchs- und Raubrisikos und einem Anstieg der Fallzahlen des Wohnungseinbruchsdiebstahls.

 

Für Christian Kromberg, Ordnungsdezernent der Stadt Essen, ist das ein deutliches Zeichen dafür, dass dem Thema der „sicheren Stadt“ derzeit eine sehr große Bedeutung zukommt – denn die Bedrohungslagen sind vielfältig geworden. „Extremwetterlagen, terroristische Bedrohungen mit konventionellen, chemischen und radioaktiven Tatmitteln, Bedrohung der Sicherheit in der Informationstechnik durch Cyber-Angriffe, biologische Krisenszenarien sowie weltweite Influenza-Pandemien sind nur einige Szenarien, die unser ganzes Land bedrohen können. Daher stellt sich die Frage: Sind unsere Städte und Kommunen für diese Bedrohungsszenarien ausreichend vorbereitet? Und existieren Maßnahmen, die heute ergriffen werden müssen, um die zukünftigen Auswirkungen der Bedrohungen so gering wie möglich halten zu können, beispielsweise bei einem langanhaltenden Stromausfall oder bei der Räumung von Krankenhäusern wegen Keimbefall?“

 

Für ihn und viele andere Sicherheitsexperten stellt sich daher die Frage, wie mit Sicherheitsbedrohungen in einer Stadt umgegangen werden soll und welcher Sicherheitsarchitektur es jetzt und in Zukunft bedarf, um Sicherheit für die Bevölkerung herzustellen und diese vor negativen Ereignissen zu schützen. Laut Dr. Christian Endreß, Geschäftsführer des Wirtschaftsschutzverbandes Allianz für Sicherheit in der Wirtschaft West (ASW West), liegt ein großes Problem im Ausfall der sogenannten Kritischen Infrastrukturen. Damit sind Anlagen und Systeme gemeint, die von wesentlicher Bedeutung für die Aufrechterhaltung wichtiger gesellschaftlicher Funktionen, der Gesundheit, der Sicherheit und des wirtschaftlichen oder sozialen Wohlergehens der Bevölkerung sind und deren Störung oder Zerstörung erhebliche Auswirkungen hätte, da ihre Funktionen nicht aufrechterhalten werden könnten.

 

„Die Kritischen Infrastrukturen in der Bundesrepublik Deutschland zeichnen sich durch eine hohe Versorgungssicherheit aus. Die komplexe Struktur gerät in der Regel erst dann in das Bewusstsein von Gesellschaft und Politik, wenn die selbstverständlich gewordene Versorgungsleistung der Kritischen Infrastrukturen nicht mehr in vollem Umfang erbracht wird oder komplett ausfällt. Ein Ausfall führt unmittelbar zu erheblichen Konsequenzen für das Gemeinwesen und die Innere Sicherheit. Ausfallszenarien der kritischen Infrastrukturen zeigen, ob ein funktionierendes Notfall- und Krisenmanagement zur Bewältigung der Bedrohungslage ausreicht. Sind Gefahrenabwehrpläne der Stromversorger bekannt, gibt es resiliente Gebäude, die etwaigen Gefahren trotzen, und wer sichert Brücken und Tunnel bei notwendigen Evakuierungen?“, betont Dr. Christian Endreß.

 

Auch Oliver P. Kurth, Geschäftsführer der Messe Essen, thematisiert die Bedeutung der Kritischen Infrastrukturen. „Vorsorge und Schutz – das sind meiner Ansicht nach die beiden Hauptaspekte in Bezug auf Kritischen Infrastrukturen. Im Bereich der Vorsorge sind viele Unternehmen führend und haben in Off- und Online-Maßnahmen investiert, um einen Blackout frühzeitig abzuwehren. Beim Schutz, wenn der Ernstfall doch einmal eintritt, besteht an einigen Stellen jedoch noch Nachholbedarf.“

 

Ordnungsdezernent Kromberg konkretisiert das Beispiel eines weitreichenden Stromausfalls (Blackouts). Die Verfügbarkeit von Strom sei die Grundbedingung für die Funktionsfähigkeit einer modernen Gesellschaft wie der Bundesrepublik Deutschland, und im kommunalen Bezug ergäben sich bei einem Stromausfall umfassende Problemstellungen für die Lebensmittelversorgung, Mobilität und Kommunikation. Seine Erfahrung und Kritik: „Im Ergebnis heißt das: Je länger ein Stromausfall dauert, desto mehr andere stromabhängige Infrastrukturen brechen zusammen. Erforderliche Notfallpläne seitens der Kommunen oder der privatwirtschaftlichen Akteure sind aber nicht oder nur unzureichend vorhanden. Eine abgestimmte Notfallvorsorge zwischen Privatwirtschaft und der öffentlichen Hand zur Aufrechterhaltung der Versorgungsstrukturen, erscheint zwingend notwendig, damit die Krise in der Stadt ausbleibt.“

 

Apropos Beteiligte: Uwe Gerstenberg vom Sicherheitsunternehmen Consulting Plus nennt ganz konkret die Player im Krisenmanagement, die entscheidend dafür sind, Städte als hochkomplexe Lebensräume zu schützen und die Lebensqualität und das Sicherheitsgefühl der Bewohner zu erhöhen. Für ihn stehen staatliche Sicherheitsbehörden, kommunale Sicherheitsdienste, der Bevölkerungs- und Katastrophenschutz, die private Sicherheitswirtschaft und Einrichtungen der Unternehmenssicherheit und des Wirtschaftsschutzes dabei im Fokus. Er ist sicher: „Eine effektive Krisenbewältigung erfordert ein reibungslos funktionierendes Netzwerk. Die Unterstützung insbesondere der Unternehmen und Organisationen der Kritischen Infrastruktur, die sich weitestgehend in privatwirtschaftlicher Hand befinden, zur Entwicklung der Fähigkeit zur Betriebsweiterführung, auch in der Krise, sollte daher ein wichtiger Bestandteil der Notfall- und Krisenpläne der Kommunen und der Landesregierung werden. Nur in gemeinsamer Anstrengung zwischen staatlichen Stellen und der Privatwirtschaft können die lebensnotwendigen Versorgungsinfrastrukturen aufrechterhalten werden. Dabei sollten auch die Verfügbarkeiten sowie die Kompetenzen der privaten Sicherheitsbranche, als Akteur der föderalen Sicherheitsarchitektur, die erforderliche Aufmerksamkeit und Berücksichtigung finden.“

 

Von Patrick Peters

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