Damit die Menschen sich in ihrem Umfeld sicher fühlen, muss das stimmen, was man gerne in Analogie zum Bau Sicherheitsarchitektur nennt. „Eine Strategie für Sicherheit und Ordnung einer Stadt ist nur erfolgreich, wenn sie auch in die Stadtpolitik eingebunden ist“, erklärt Uwe Gerstenberg. Der Geschäftsführender Gesellschafter der consulting plus Unternehmensgruppe kennt sich hier aus – consulting plus berät auch viele Kommunen.
Zur Sicherheitsarchitektur gehören demnach „Politik und Gesetzgebung, Planer und Architekten, private und öffentliche Entwickler und Bauunternehmer, Sozialarbeiter, Geschäftsleute, Verbände wie zum Beispiel der Einzelhandelsverband, die Bildungseinrichtungen, Polizei und Ordnungskräfte sowie die private Sicherheitswirtschaft. Sie sind gleichermaßen gefordert“, sagt der Sicherheitsexperte. Die Zusammenarbeit von Polizei, kommunalen Ordnungsdiensten und privaten Sicherheitsdienstleistern könnte allerdings ausgebaut und damit noch effektiver werden, ist Gerstenberg überzeugt. Grenzen setzt derzeit zum Beispiel der Datenschutz. Selbst wenn öffentliche und private Sicherheitsdienste zusammenarbeiten, darf etwa die Polizei bei Personalüberprüfungen keine personenbezogenen Daten weitergeben.
Ganz gut funktioniere mittlerweile der gemeinsame Streifendienst aus Polizei und Ordnungsamt. Diese so genannte Doppelstreife habe sich bewährt. „Sie sorgt für ein höheres Sicherheitsgefühl, sowohl in der Innenstadt als auch in den Stadtteilen.“ Die private Sicherheitswirtschaft könne ihr Know-how aber ebenfalls in vielen weiteren Bereichen einbringen, sagt Gerstenberg. So könnten Erfahrungen aus der Zusammenarbeit bei Großveranstaltungen auf Alltagssituationen übertragen werden. „Hier gibt es bei der Zusammenarbeit häufig noch erhebliche Schwierigkeiten.“ So müssten Abstimmungsprozesse noch besser geklärt werden. Grenzen setzt derzeit zum Beispiel der Datenschutz. Selbst wenn öffentliche und private Sicherheitsdienste zusammenarbeiten, darf etwa die Polizei bei Personenüberprüfungen keine personenbezogenen Daten weitergeben.
Er kann aber auch aus eigenem Erleben ein Beispiel für eine strategische Zusammenarbeit zwischen Kommune und privater Sicherheitswirtschaft nennen, die große Beachtung gefunden hat. Die Stadt Essen will ein neues Rathaus bauen. Bereits in den Planungsprozess hat die Stadt das Beratungsunternehmen consulting plus eingebunden. Die Spezialisten haben für die Ausschreibung Sicherheits-Leitlinien erarbeitet, die Architekten in ihren Bewerbungen berücksichtigen müssen.
Christian Kromberg, Sicherheitsdezernent der Stadt Essen, ist mit dieser Zusammenarbeit sehr zufrieden: „Das ist eine sehr erfolgreiche Kooperation.“ Mittlerweile arbeite die private Sicherheitswirtschaft hoch professionell und verfüge über so viel Know-how, „dass wir uns auf Augenhöhe begegnen“.
Die Sicherheitsanforderungen für ein öffentlich zugängliches Gebäude sind komplex. Einerseits soll jedermann Zugang haben, dennoch muss die Sicherheit der Besucher und Mitarbeiter gewährleistet sein. Nicht nur Terrorgefahren drohen. Immer wieder kommt es zu Übergriffen Einzelner auf Behördenmitarbeiter. Ebenso müssen dunkle Ecken vermieden werden. All diese Anforderungen sollen bereits in der Planung des Gebäudes berücksichtigt werden. So haben die Sicherheitsexperten zum Beispiel vorgeschlagen, öffentliche von halb öffentlichen Bereichen zu trennen. In letztere haben zum Beispiel Mitarbeiter Zutritt und Besucher mit Einladung oder Termin.
Die Sicherheitsarchitektur soll zudem so gestaltet werden, dass sie Optionen für künftige Anpassungen ermöglicht. Das Gebäude soll 2024 fertig werden. Je nach Bedrohungslage sollen auch möglicherweise kurzfristig einzurichtende Zugangskontrollen eingerichtet werden können. Im Idealfall könnten in Zukunft auch digitale Terminvergaben, Zutritts- und Aufenthaltskontrollen kombiniert werden. Damit würden auch die Besucher profitieren, zum Beispiel von einer Wegeführung durchs Haus, dies sogar in mehreren Sprachen.
Der Sicherheitsrahmen umfasst aber noch mehr. Auf dem Weg zum neuen Rathaus werden mehr Menschen als heute an der Alten Synagoge vorbeikommen. „Den Umfeldschutz muss das Sicherheitskonzept also auch berücksichtigen“, sagt Kromberg. Mit einer solchen strategischen Einbindung privater Unternehmen in die Verwaltungsarbeit einer Kommune nimmt die Stadt Essen eine Vorreiterrolle ein. „Wir vertrauen bei diesen Themen auf die Kompetenz der privaten Sicherheitswirtschaft“, sagt der Dezernent. In der Corporate Security, also der Sicherung von Unternehmen, hätten die privaten Sicherheitsunternehmen ihre Kernkompetenz. „Davon können wir lernen.“
Gerade eben bei der Planung neuer öffentlicher Gebäude. Oft soll ihre Ansiedlung Stadtteile aufwerten und zur Stadtentwicklung beitragen. Zunächst sind solche Stadtteile aber häufig mit sozialen Problemen behaftet, die auch die Sicherheit betreffen. Hier könne dann die strategische Begleitung durch Sicherheitsunternehmen helfen, ist Kromberg überzeugt. So gehe es zum Beispiel um sichere Arbeitswege – gerade für Verwaltungen ein wichtiges Thema. Der Anteil weiblicher Mitarbeiter ist bei ihnen in der Regel besonders hoch. Stimmt das Sicherheitskonzept, haben die Behörden auch im umkämpften Arbeitsmarkt bessere Argumente.
Grundsätzlich könne die Umfeldverbesserung das Sicherheitsgefühl der Menschen stärken, ist Uwe Gerstenberg überzeugt. So müssten Angsträume im öffentlichen Raum beseitigt werden. Auch hier könne die private Sicherheitswirtschaft bei der Planung und Umsetzung helfen.
Sicherheit beginnt hier schon früh: Vandalismusschäden sollten schnell behoben werden, empfiehlt der Sicherheitsexperte: „Gemäß der Broken- Windows-Theorie („Theorie der zerbrochenen Fenster“) besteht ein direkter Zusammenhang zwischen Verwüstungen in und Vernachlässigung von Stadtgebieten und Kriminalität.“ Findet man erst eine eingeschlagene Scheibe, folgen bald die nächsten und mit ihnen weitere kriminelle Aktivitäten. Ordentliche Gebäude und Flächen werden hingegen als sicherer empfunden.
Bei alledem sollten aber auch die Bürger mitwirken, betont Gerstenberg: Die Sicherheit in einem Stadtviertel verbessere sich auch spürbar, „wenn Anwohner sich für ihr Umfeld mitverantwortlich fühlen und im Fall des Falles Zivilcourage aufbringen. Voraussetzung dafür ist, dass sie sich mit dem Gebiet, in dem sie wohnen, identifizieren und sich damit auseinandersetzen.“
VON JÜRGEN GROSCHE
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1 Kommentare
Wenn eine Stadt trotz vielfacher Hinweise nicht für Ordnung sorgen will, weil kein Personal oder kein Fahrzeug für das Personal vorhanden ist, dann bleibt eine Stadt Essen für lange, lange Zeit nur ein vorzeigehaftes Beispiel. Alles andere kommt in die Wunschtüte.