Sicherheit

Unternehmen und Staat wollen kooperieren

Sicherheit ist eine aufwändige und teure Sache. Die private Sicherheitswirtschaft bietet an, Polizei, Kommunen und andere öffentliche Akteure zu unterstützen. Das Angebot kommt an, wie sich beim 4. RP-Forum „Sicherheit in Deutschland“ zeigt.

 

In einem „White Paper“ hatten Mitglieder des Wirtschaftsforums „Sicherheit“ der Rheinischen Post im April NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) auf 15 Seiten „Möglichkeiten der privaten (Sicherheits-)Wirtschaft zur Unterstützung staatlicher Institutionen zur Verbesserung des Sicherheitsniveaus in Nordrhein-Westfalen“ aufgezeigt. Reul nutzte das 4. RP-Forum „Sicherheit in Deutschland“, um darauf zu antworten. Eine Zusammenarbeit sei „schwieriger, als man glaubt“. Was zunächst einfach klinge, entpuppe sich im Einzelfall als komplex. Reul nennt als Beispiel die Begleitung von Groß- und Schwertransporten oder das Wiegen von Lkw vor Brücken. Warum sollen dafür Polizeikräfte abgestellt werden, die anderswo fehlen? Das könnten doch auch private Sicherheitsdienste erledigen.

 

Doch sobald dabei hoheitliche Aufgaben anfallen oder das staatliche Gewaltmonopol tangiert ist, könne nur der Staat tätig werden, betont der Innenminister. Solche Fälle können leicht eintreten: Fließender Verkehr muss angehalten werden, Lkw dürfen eventuell nicht weiterfahren, die Identität von Fahrern muss festgestellt werden. „Das geht nicht ohne Polizei“, erklärt Reul. Wenn Aufgaben an private Dienstleister vergeben werden, sei das Vergaberecht kompliziert, beklagt der Minister, der andererseits dem Rahmen Gutes abgewinnt: Das Vergaberecht stelle sicher, dass jedes Vorhaben geprüft werde, ob es auch den rechtlichen Vorgaben entspricht. Damit sei es auch ein „Garant für ein gutes Gelingen“.

Beim Vergaberecht beklagt Daniel Schleimer (Securitas) indes eine Starrheit bei den Ausschreibungen. Sie beinhalten häufig sehr strikte Vorgaben. Wenn ein Unternehmen für einzelne Aspekte sinnvollere Lösungen vorschlagen wolle, müssten sie als Nebenangebote in eine neue Ausschreibung gehen. Die Polizeipräsidenten am Tisch weisen auf ein Phänomen hin, das ein Outsourcen von Tätigkeiten erschwert, etwa bei der Unfallaufnahme: „Die Menschen wollen da Polizisten sehen“, sagt Frank Richter (Essen). Was auch natürlich Gründe in der Akzeptanz der Datenaufnahme bei Versicherungen und vor Gericht hat. Als problematisch haben sich zudem Abfertigungsprobleme an Flughäfen erwiesen. Die Branche müsse in solchen Fällen qualitativ daran arbeiten, sagt Oliver P. Kuhrt (Messe Essen).

Anders ist es auf Gebieten, auf denen die private Sicherheit eindeutig punkten kann mit Kompetenz, Erfahrung und Know-how. Und da gebe es einiges, zeigen sich die Experten aus Politik, Polizei wie auch der Unternehmen überzeugt. „Beim Outsourcen sollten wir auf Zukunftsfragen abzielen“, schlägt Richter vor. Er denkt da etwa an die IT-Prävention. Der Kölner Polizeipräsident Uwe Jacob verweist auf die Stärken, die private Sicherheitsunternehmen etwa auch bei der Wohnungssicherung haben. Daniel Schleimer regt an, die Video-Beobachtung für Kooperationen zu nutzen. Aufnahmen von Sicherheitsdiensten könnten der Polizei in den Streifenwagen geschickt werden. Die Polizisten könnten sie direkt für ihren Einsatz nutzen.

Christian Kromberg, Sicherheitsdezernent der Stadt Essen, nennt als Beispiel Smart City-Pläne. „In solchen Feldern sollten wir Kooperationen besprechen.“ Innenminister Reul sieht insbesondere bei Themen wie Cyberkriminalität oder Kinderpornografie Potenziale für eine Zusammenarbeit: „Auf digitalen Feldern könnten wir noch mehr Möglichkeiten der Kooperation identifizieren und das Know-how der Unternehmen für die Sicherheit nutzbar machen. Wir sind interessiert daran.“

Das gilt im Übrigen für Unternehmen, Kommunen und Behörden gleichermaßen, wie Wolfgang Straßer (@-yet GmbH) aus eigener Erfahrung weiß. In der Bekämpfung der Cyberkriminalität laufe die Zusammenarbeit mit dem Landeskriminalamt bereits sehr gut. „Aber die Prävention in Unternehmen und Behörden ist eine Katastrophe, was wir vorfinden ist überwiegend einfach schlecht und nicht ausreichend“, beklagt Straßer. Ganze Systeme seien ungeschützt. „Hier muss drastisch mehr gemacht werden und in kritischen Infrastrukturen müsste mehr Druck seitens der Behörden auf Grundlage der bestehenden Gesetze – IT-Sicherheitsgesetz – kommen“, ist der Experte überzeugt.

Klaus M. Brisch (DWF Germany Rechtsanwaltsgesellschaft) fordert zudem, dass der Informationsfluss verbessert werden müsse, zum Beispiel vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BS) zu den Unternehmen. Sicherheitsbehörden, Polizei und Unternehmen müssten beim Thema IT-Sicherheit regionalbezogen aktiv werden. Dr. Christian Endreß von der Allianz für Sicherheit in der Wirtschaft (ASW NRW) sieht hier andere Bundesländer weiter. So arbeite Baden-Württemberg bei der Abwehr von Cyberkriminalität bereits intensiver mit Unternehmen zusammen.

Insgesamt gehe es um das „Kernproblem Personal“, sagt Stefan Bisanz (consulting plus Beratung) und wendet sich an die staatlichen Stellen: „Wie können Sie es schaffen, mehr Polizisten für die Arbeit draußen zur Verfügung zu haben?“ Eine Zusammenarbeit von öffentlichen und privaten Akteuren müsse gemeinsame Schnittstellen identifizieren, fügt Uwe Gerstenberg (consulting plus Sicherheit) hinzu: „Wir sollten konzertierte Maßnahmen erarbeiten, um die Sicherheit zu erhöhen.“

In ihrem „White Paper“ hatten die Sicherheitsexperten viele dieser Punkte bereits angeregt. „Wie kann man nun weiter verfahren?“, fragt Brisch und schlägt vor, mit Pilotprojekten zu beginnen. Vertreter von Unternehmen, Ministerium und Polizei sollten sich zu einem Austausch treffen, schlägt Gerstenberg vor. Jens Washausen (Geos Germany) hat bereits eine Idee für ein erstes Pilotprojekt: „Erstellung eines Praxishandbuches für Kritis-Projekte in NRW-Behörden“. Bei „Kritis“ geht es um „Kritische Infrastrukturen“, die es zu schützen gilt. Das könne mit einem Anwendungsprojekt, etwa in der Implementierung in einer Behörde, begleitet werden. Wasberg greift damit auch das „Credo aus der RP-Umfrage“ auf. „Die Teilnehmer erwarten, dass wir etwas tun.“

Bei Innenminister Reul stoßen die Anregungen auf offene Ohren. Er begrüßt den Vorschlag, Pilotprojekte anzugehen. Die Diskussion zwischen privaten Sicherheitsunternehmen und öffentlich-staatlichen Stellen kann nun in eine neue Runde gehen.

Von Jürgen Grosche

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